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Freitag, 15. Mai 2015, 17:02 Uhr

Viel Sympathie, wenig Unterstützung

Warum sich die Politik mit dem Kita-Streik schwer tut

ver.di-Fahne vor dem Norderstedter Rathaus, im Vordergrund die "Regentrude"

93,44 Prozent der ver.di-Mitglieder in sozialen Berufen stimmten Anfang Mai für einen unbefristeten Streik. In Norderstedt sind zahlreiche Kitas betroffen (Foto: Infoarchiv).

Olaf Harning | Sie fordern regelmäßig Entgeltgleichheit und prangern niedrige Löhne in "Frauenberufen" an. Warum sich Katja Rathje-Hoffmann (MdL, CDU) und Franz Thönnes (MdB, SPD) dann ausgerechnet beim laufenden "Kita-Streik" zurückhalten, haben sie jetzt gegenüber dem Infoarchiv begründet.

Zwei Frauen mit Transparent: "Wieviel ist Euch die Erziehung Eurer Kinder wert?"

"Wieviel ist Euch die Erziehung Eurer Kinder wert?" fragten ver.di-Mitgleider am Montag auf dem Norderstedter Rathausplatz (Foto: Infoarchiv).

Diese Zahl ist dramatisch und widerspricht jeder Form von Gerechtigkeit: Auch im Jahre 2015 verdienen Frauen in Deutschland noch 23 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen - und das seit 2006 fast unverändert (mehr dazu hier). Anlässlich des diesjährigen Equal-Pay-Days am 19. März, hatte CDU-Politikerin Rathje-Hoffmann deshalb gefordert: "Wir müssen weiter mit Nachdruck daran arbeiten, die Entgeltlücke zu schließen". Und Sozialdemokrat Thönnes, einst Sekretär der Industriegewerkschaft Chemie, Papier, Keramik (heute IG BCE), fand es "blamabel, dass das wirtschaftlich erfolgreiche Deutschland hier in der EU unter den Schlusslichtern ist."

Doch auch, wenn sich beide darin einig sind, dass die Lohn- und Gehaltsunterschiede neben unmittelbarer Lohndiskriminierung vor allem auf die höchst unterschiedliche Bezahlung in "typisch männlichen" und "typisch weiblichen" Berufen zurückgeht: Den aktuellen Tarifkampf der Erzieher- und SozialarbeiterInnen, betroffen sind zu mehr als 95 Prozent Frauen, wollen sie nicht unterstützen. Zumindest nicht direkt, der Tarifhoheit wegen.

Katja Rathje-Hoffmann in  rotem Oberteil vor einem Mikro

Katja Rathje-Hoffmann (Foto: CDU).

So merkt Rathje-Hoffmann an, dass sich der "Gender Gap" im Bäckereihandwerk durch Verhandlungen und Gespräche binnen weniger Jahre von 20 auf 10 Prozent verringert habe - mit dem Nahziel der völligen Angleichung. Schon anhand dieses Beispiels sei erkennbar, so die Itzstedterin, "dass derartige Verhandlungen sehr gut in den Händen der Tarifpartner aufgehoben sind."

Da lehnt sich Thönnes zwar schon ein Stückchen weiter aus dem Fenster, sprach den streikenden ErzieherInnen bei einem Besuch der Bad Segeberger Kita "Alte Sparkasse" am Montag seine Sympathie aus. Davon abgesehen aber betonte auch der Bundestagsabgeordnete gegenüber dem Infoarchiv: "Grundsätzlich kann und soll es eine Einmischung in laufende Tarifauseinandersetzungen durch die Politik nicht geben". Das habe gute Gründe und entspräche "unserer demokratischen Tradition."

Franz Thönnes in dunklem Anzug mit roter Krawatte

Franz Thönnes (Foto: DBT, von Saldern).

Das ist zwar unbestreitbar richtig, zumal sich auch die Gewerkschaften eine Einmischung in Tarifauseinandersetzungen grundsätzlich verbitten. In diesem Konflikt allerdings, wird die Arbeitgeberseite durch die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) gestellt - also durch die Summe aller Verwaltungen in Städten und Gemeinden. Und die werden nicht nur durch die Parteien, allen voran die beiden großen Volksparteien, kontrolliert, sondern letztlich auch politisch gelenkt. Eine Einmischung im eigentlichen Sinne, wäre die Parteinahme für streikende ErzieherInnen also nur bedingt.

Immerhin: Beide PolitikerInnen betonen Verständnis für den Arbeitskampf, fordern eine höhere Wertschätzung der Arbeit in den Kitas. Um das auch politisch voranzubringen, so Rathje-Hoffmann, will die Bundesregierung noch in der laufenden Legislaturperiode ein Entgeltgleichheitsgesetz auf den Weg bringen. Thönnes betont zudem die Notwendigkeit, Kommunen finanziell zu entlasten, um damit überhaupt Spielräume für Lohnsteigerungen zu schaffen. "Dass es in der aktuellen Tarifauseinandersetzung zu einer Einigung kommt, die eine Anerkennung der beruflichen Tätigkeit der Erzieherinnen und Erzieher gleichermaßen berücksichtigt, wie die finanzielle Belastbarkeit der Städe und Gemeinden", so der Bundestagsabgeordnete, "würde ich sehr begrüßen.

2 Kommentare zu diesem Artikel

21.05.2015, 16:06 Uhr Infoarchiv NorderstedtStellungnahmen ...

Hallo, Frau Auerbach!

Wir sind nicht sicher, ob wir Ihre Kritik richtig verstanden haben. Daher nur eine kurze Erläuterung: Wir hatten Katja Rathje-Hoffmann und Franz Thönnes gefragt, warum sie sich sonst oft und glaubhaft für Lohngerechtigkeit und auskömmliche Entlohnung in sogen. "Frauenberufen" einsetzen, beim Kita-Streik aber bislang schweigen. 

Darauf antworteten beide dankenswert ausführlich, äußerten Sympathie für die Streikenden und ihr Anliegen, vermieden aber eine direkte Unterstützung des Arbeitskampfes. Tenor: Das ist Sache der Tarifparteien. So haben wir es ja dann auch wiedergegeben.

Leider ist es uns aus Platzgründen nicht möglich, längere Stellungnahmen komplett zu veröffentlichen, das würde jeden lesbaren Rahmen sprengen. Ihre Hoffnung auf "Unterstützung der Politik" hätten die Texte aber - wie gesagt - ohnehin nicht erfüllt ... mangels Unterstützung.

Viele Grüße,
Olaf Harning

für das Infoarchiv

Zur Erläuterung: Sabine-Almut Auerbach ist Geschäftsführerin von ver.di Südholstein.

20.05.2015, 19:03 Uhr Almut AuerbachBeitrag Franz Thönnes, MdB

Der Bundestagsabgeordnete der SPD, Franz Thönnes, hat zum Streik der Kolleginnen und Kollegen im Sozial- und Erziehungsdienst eine sehr umfangreiche Stellungnahme an das Infoarchiv Norderstedt gegeben, die leider nur sehr verkürzt wiedergegeben ist. Das ist sehr bedauerlich, zumal wir die Unterstützung der Politik benötigen, die durch Umschichtungen den Kommunen die notwendigen Mittel für die bessere Eingruppierung der Erzieher/innen und Sozialpädagogen/innen ermöglichen (können).