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Samstag, 28. Oktober 2006, 2:00 Uhr

Segeberger Soldaten an Totenschändungen beteiligt!

ARD-Hauptstadtstudio: "Panzergrenadiere aus Bad Segeberg" auf den Fotos vom Mittwoch

Von Olaf Harning | Dass Soldaten mit Kampfauftrag besonders sympathisch sind, kann eigentlich niemand erwarten, nicht selten werden sogar Mörder aus ihnen. So schlimm ist es mit den Segeberger Panzergrenadieren zwar noch nicht gekommen, aber zu geschmacklosen Foto-Shootings auf einem afghanischen Gräberfeld scheint es gerade mal gereicht zu haben. Nach einem Bericht des Hamburger Abendblattes vom 31. Oktober jedenfalls haben mittlerweile drei in Bad Segeberg stationierte Soldaten die Schändungen gestanden.
Die Vorwürfe wurden zuvor auch von der Bundeswehr zumindest indirekt bestätigt: Während die zentrale Pressestelle "keinerlei Auskünfte zur Herkunft von Soldaten" gab, berichtete der Pressesprecher der Panzerbrigade 18 in Boostedt, Hauptmann Michael Fritz dem Info Archiv, dass sich nach den Veröffentlichungen der Tagesschau "drei Soldaten in einen engen Kreis entwickelt haben, der für die Tat in Frage kommen könnte". Sie würden nötigenfalls der zuständigen Gerichtsbarkeit in Potsdam zugeführt. Zuvor waren vom Stützpunkt in Boostedt alle zur Verfügung stehenden Soldaten zu den Vorfällen vom März 2004 und den Zeitungsfotos befragt worden, dabei sei der Fokus auf drei Männer der Lettow-Vorbeck-Kaserne gefallen.
Seit Januar 2004 waren die "Segeberger Jungs" im Einsatz, zu ihren Aufgaben gehörten Patrouillenfahrten und die Absicherung von Lagern und Anlagen. Knapp 200 Wehrpflichtige und Zeitsoldaten aus der Lettow-Vorbeck-Kaserne waren dabei Teil eines Kontingents von insgesamt 500 Mann der Panzerbrigade 18 (Holstein), das am ISAF-Einsatz in Afghanistan teilnahm. Neben dem Segeberger Panzergrenadierbataillon 182 gehörten auch das Panzerbataillon 183 aus Boostedt und Truppenteile aus Kellinghusen zum Einsatz. Die jetzt ausgemachten Soldaten gehörten möglicherweise zu einer größeren Gruppe, die sich gegenseitig vor dem Hintergrund menschlicher Überreste und dabei in Teils eindeutig herablassenden Posen mit Totenschädeln und anderen Knochen fotografiert hatten. Die Gebeine sollen dabei aus einer Art "Kieskuhle" stammen, aus der Einheimische Baustoffe gewannen und sich angeblich nicht an den Knochen störten.
So unangenehm die Vorstellung ist, dass deutsche Soldaten mit Schädeln afghanischer Zivilisten spielen und aus Gebeinen Schriftzüge legen, so heuchlerisch ist die aktuelle Aufregung um den Vorfall. Schließlich handelt es sich bei dem Militär-Einsatz in Afghanistan nicht um Manöver oder Übungen, sondern einen Kampfeinsatz. Was Militär-Kritiker und -psychologen immer wieder analysieren, wurde jetzt bei den ISAF-Truppen Realität, bzw. ist es wahrscheinlich schon lange gewesen: Krieg stumpft ab.
Vielleicht müssen Verteidigungsminister Jung und auch die vielen betont "schockierten" Politiker, die für den Afghanistan-Einsatz verantwortlich zeichnen, schlicht zur Kenntnis nehmen und auch verantworten, dass Hunderte junge Männer (und einige wenige Frauen) auf einem Haufen, mit Gewehren ausgerüstet und stets in Lebensgefahr in ihrer "Freizeit" nicht unbedingt Hallenhalma spielen oder sich über die Gesundheitsreform unterhalten. Kaum mehr ernst zu nehmen dabei die Reaktion der Grünen in Person ihres verteidigungspolitischen Sprechers Winfried Nachtwei, der mangelnde Strategien der jetzigen Regierung für die Vorfälle verantwortlich machte - dabei geschahen die Schändungen zur Amtszeit von Rot-Grün.
Die Vorfälle machen deutlich, dass auch deutsche Soldaten des Jahres 2006 - demokratische Ausbildung hin oder her - immer noch Soldaten sind und damit sicher keine Humanisten. Wer Kriegseinsätze, wie den in Afghanistan will, der muss wissen, dass dort unter anderem Zivilisten getötet und Wohngebäude zerstört werden, die Nahrungs- und Wasserversorgung zeitweise unterbrochen wird und - ja und, dass viel zu junge Männer in Uniform Tote schänden. Neueste Berichte gehen ja auch davon aus, dass es einen regelrechten Tourismus zum betreffenden Gräberfeld gegeben haben - mit Wissen höherer Dienststellen. Wer solche Zustände nicht möchte, sollte in Zukunft mehr Gewicht auf friedliche Lösungen und soziale Gerechtigkeit legen, als die rot-grüne Bundesregierung und jetzt die Große Koalition das getan haben.
Apropos Humanismus: Die Segeberger Kaserne ist nach General Paul von Lettow-Vorbeck benannt, der 1964 in Pronsdorf bei Bad Segeberg begraben wurde. Lettow-Vorbeck war nicht nur aktiv am antidemokratischen Kapp-Putsch 1920 beteiligt, sondern auch bereits mitverantwortlicher Militär beim Völkermord in Deutsch-Südwestafrika. Zur Niederschlagung eines Aufstandes der "Herero" hatten die deutschen Truppen die hoffnungslos unterlegenen Einheimischen 1904 einfach in die wasserlose Omabeke-Wüste getrieben, wo schließlich bis zu 60.000 von ihnen verdursteten. Vielleicht nahmen sich die Segeberger Soldaten ja jetzt den Namensgeber ihrer Kaserne zum Vorbild. Dafür ist ihre Tat noch recht glimpflich ausgefallen.

Meister der Heuchelei: "BILD" und die "Empörung" über gestellte Knochen-Bilder. Was wäre wohl, wenn alle Betroffenen skandalöser und geschmackloser BILD-Fotos sich zu Wort melden?

Veröffentlicht in Frieden