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Samstag, 23. Februar 2002, 12:00 Uhr

No Border, No Nation

Demonstration gegen Abschiebehaft Glasmoor

Infoarchiv Norderstedt | Unter dem Motto "No Border - No Nation - No Deportation" wollen die Gruppen Ende Februar um die 500 Menschen auf Norderstedter Straßen bringen und für die Schließung des Container-Knastes eintreten. Während einer tatsächlichen Umsetzung dieser Forderung zwar wenig Chancen eingeräumt werden, ist die Stimmung in Glasmoor derweil explosiv. Nicht weniger als drei mal weigerten sich Häftlinge in den vergangenen Monaten, nach ihrem Hofgang in die Zellen zurückzukehren und protestierten so jeweils über Stunden gemeinsam mit anwesenden DemonstrantInnen gegen ihre Gefangenschaft. Mehrfach gibt es zudem Berichte über "Unruhe" innerhalb der Anstalt und vermehrte Widerstandshandlungen. "Zumindest symbolische Selbstmordversuche gab und gibt es täglich", wird zudem ein Insider des Knastes zitiert.

Nach ein paar Monaten der "weichen Linie" von Abteilungsleiter Frank Dühring Ende 2000 kehrte die JVA unter Anstaltsleiter Steinmann schnell wieder zu ihrer repressiven Form zurück. Schon ein halbes Jahr nach Amtsantritt Dührings ließ die Kieler Staatsanwaltschaft im Dezember vorletzten Jahres die Privaträume des Autors dieses Artikels durchsuchen und ein Verleumdungsverfahren einleiten - nicht zuletzt nach entsprechenden Aufforderungen aus Anstaltsleitung und Justizbehörde. Nur wenig später wurde gegen Wolfgang M. das zu diesem Zeitpunkt achte Besuchsverbot gegen einen Antirassisten verhängt, das allerdings nach kurzer Zeit wieder aufgehoben werden musste. Und im November letzten Jahres folgten auch Besuchsverbote Nr. 9 und Nr. 10, sowie die erneute Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen "Verleumdung". Grund diesmal: Die beiden betroffenen Frauen vom Hamburger Flüchtlingsrat hatten sich zuvor schriftlich über ihre Behandlung durch einen Schließer des Abschiebetraktes beschwert - und damit den Grundstein für ihr Hausverbot gelegt - so läuft das eben in Glasmoor.

"Befriedung" durch Repression

Im Mai 2000 war mit Frank Dühring ein neuer Abteilungsleiter für Haus 3 gekommen. "Den Menschenrechten verpflichtet" fühlte er sich und führte zunächst das Konzept der sogenannten "Freiheit nach Innen" ein - ein klassisches Modell des Konfliktmanagements. Dühring sollte nach zahlreichen Berichten über Mißhandlungen an- und Wiederstandshandlungen von Häftlingen mit einer Befriedungsstrategie deeskalieren, nachdem zuvor jahrelang auf stumpfe Eskalation gesetzt worden war.

Doch während der junge Hannoveraner in seinen ersten Monaten tatsächlich damit begann, einige der straffen Haftbedingungen zu lockern und zudem äußerte, mit ihm würde es unter anderem keine Hausverbote für AntirassistInnen geben, änderte sich seine Politik schnell. Ob nun durch eigenen Sinneswandel oder Druck der Hardliner aus der Justizbehörde: Schon im März 2001 folgte das achte - wenn auch juristisch nicht haltbare - Besuchsverbot, im November 2001 die Nummern neun und zehn. Zudem haben Schikanen gegen Gefangene wie BesucherInnen seit dem Spätsommer 2001 und vor allem nach dem Wahlsieg des rechten "Bürgerblocks" in Hamburg wieder stark zugenommen. Nach übereinstimmender Wahrnehmung verschiedener antirassistischer BeobachterInnen herrscht in Haus 3 jetzt die Devise, der neue Senat mit Innensenator Ronald Schill und dem rechten Hardliner Roger Kusch als Leiter des Justizressorts würde auch etwaigen Verfehlungen schon den Segen geben.

Noch im August letzten Jahres hatte vor dem Norderstedter Amtsgericht der erste Mißhandlungsprozeß gegen einen Schließer der JVA Glasmoor stattgefunden - wohlgemerkt nachdem in den vorherigen Jahren bereits rund ein Dutzend ähnlicher Vorwürfe publik geworden waren. Obwohl aber mehrere Zeugen den mumaßlichen Prügel-Schließer Hartmut H. schwer belasteten, sprach das einschlägig bekannte Amtsgericht den Mann frei. Angesichts des schwer verletzten Opfers Emene K., der unter anderem einen Jochbeinbruch erlitt, ein erneut skandalöses Urteil, gegen das sogar die Staatsanwaltschaft Rechtsmittel eingelegt hat. Hatte die Anstaltsleitung mit dem Einsatz von Krisenmanager Dühring gehofft, eine effektive Mischung aus Zuckerbrot und Peitsche zu erzielen und damit die Stimmung im Knast deutlich zu entspannen, schlug zumindest diese Taktik gründlich fehl.

Glasmoor kommt nicht zur Ruhe

Sowohl während des Sonntagsspazierganges im September, als auch am 21. Oktober und 16. Dezember letzten Jahres verlängerten jeweils rund 40 Gefangene ihren Hofgang beträchtlich, und protestierten gemeinsam mit herbeigeeilten DemonstrantInnen gegen ihre Gefangenschaft und auch gegen Haftbedingungen. Darüber hinaus sollen in den vergangenen Wochen gleich mehrfach Polizeieinsätze in Haus 3 gegeben haben, die jedoch unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattfanden und daher nicht näher beleuchtet werden können. Der Knast kommt nicht zur Ruhe.

Am 23. Februar nun wollen AntirassistInnen aus Hamburg und Schleswig-Holstein erneut gegen die Abschiebehaft generell und den Abschiebeknast Glasmoor im Speziellen auf die Straßen gehen. Einerseits, um die derzeitige Situation hinter den Zäunen publik zu machen, andererseits um eine neue Runde in der Mobilisierung gegen derartige Zustände einzuläuten. Die Demonstration im Februar ist nur ein Auftakt in der Auseinandersetzung für eine Zivilgesellschaft, die zur Zeit nicht nur durch die Abschiebehaft bedroht ist.

Demonstration gegen den Abschiebeknast Glasmoor am 23.02.02

Treffpunkte:

10.00 Uhr S-Bhf Sternschanze

11.00 Uhr Schmuggelstieg (Nähe U-Bhf Ochsenzoll)

Samstag, 23. Februar 2002, 12:00 Uhr, Schmuggelstieg
Veröffentlicht in Flucht und Migration mit den Schlagworten Norderstedt, Polizei, Schleswig-Holstein