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Mittwoch, 10. April 2013, 11:27 Uhr

Widerstand gegen "sinnlose Vermittlungen"

Rebellion im Jobcenter

Infoarchiv Norderstedt | Sie ist Arbeitsvermittlerin beim Jobcenter und weigert sich, Sanktionen auszusprechen. Seit einigen Monaten berichtet sie in Blogs über Internas aus der Hartz-IV-Behörde. Wenig verwunderlich, dass Inge Hannemann Probleme mit ihrem Arbeitgeber hat. Doch bislang hält sie dem Druck stand.

Demoflyer "Wir wollen leben"

Demoflyer "Wir wollen leben!"

Beschäftigt ist Hannemann bei der Hamburger Sozialbehörde, als Arbeitsvermittlerin ist sie im Jobcenter Altona tätig. Und was die 44jährige dort erlebt, konnte und wollte sie irgendwann nicht mehr nur mit sich selbst ausmachen. Schon vor etwa zwei Jahren begann sie deshalb, in einem Blog kritische Berichte aus dem Innenleben des Jobcenters zu veröffentlichen, vor genau einem Jahr initiierte sie die Internet-Seite altonabloggt. Außerdem weigert sich die Vermittlerin seit geraumer Zeit, Sanktionen gegen Transfergeldempfängerinnen zu verhängen, da schon die vollen Beträge am Existenzminimum lägen.

Hannemann gegenüber dem Hamburger Abendblatt: "Wir sollen die Menschen in prekäre Zeitarbeitsjobs oder sinnlose Maßnahmen vermitteln, um Zielzahlen zu erfüllen." Darunter sei Beispielsweise ein Projekt, bei dem Hartz-IV-Bezieher Puzzles zusammensetzen müssen, um wieder auf den Arbeitsmarkt vorbereitet zu werden. An derartigen Maßnahmen aber würden lediglich die Anbieter verdienen, für die Betroffenen sei der Nutzen gleich Null. Ähnliche Projekte waren 2007 auch im Kreis Segeberg in die Kritik geraten, als die umstrittene SBB Kompetenz GmbH Norderstedter Arbeitslose mit stundenlangem Tischtennisspielen auf den Arbeitsmarkt "vorbereitete". Im April 2008 wurde die Maßnahme "MonaLisa" schließlich vom Sozialgericht Lübeck als sinnfrei eingestuft und eine erzwingbare Teilnahme verneint.

Weil ihre Jobcenter-Kritik mehr und mehr Öffentlichkeit verursacht, muss sich Arbeitsvermittlerin Hannemann jetzt mit Repressalien ihres Arbeitgebers auseinandersetzen. Eine erste "Gesprächsaufforderung" wurde zwar kürzlich wegen angekündigter Solidaritätsdemonstrationen zurückgezogen, langfristig rechnet die Behördenmitarbeiterin aber nicht mit einer Fortführung ihres Arbeitsverhältnisses. Als Ziel ihres Widerstandes gibt sie die "Abschaffung von Hartz IV" an, in diese Richtung geht auch eine von Hannemann und einer Reihe MitstreiterInnen organisierte Demonstration am 8. Mai - Motto "Wir wollen leben!" Mehr als 800 Euro wende der Staat zur Zeit für alleinstehende Hartz-IV-Empfänger aus und das für eine Vermittlungsquote von 1,7 Prozent in dauerhafte Jobs. Ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle von 1.000 Euro sei da sehr viel sinnvoller. Um das zu finanzieren, könne beispielsweise der weitgehend nutzlose Vermittlungs- und Maßnahmenaufwand für Langzeitarbeitslose eingebracht werden.

Veröffentlicht in Soziales mit den Schlagworten Hamburg, Hartz-Gesetze, Inge Hannemann, Jobcenter, Sozialbehörde