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Sonntag, 3. Juni 2012, 20:26 Uhr

Tag der deutschen Vergangenheit in Hamburg

Massenproteste gegen Nazi-Aufmarsch

Die blockierte Brauhausstraße am 2. Juni

Blockade in der Brauhausstraße, Hamburg-Wandsbek, 2. Juni (Foto: Infoarchiv)

Infoarchiv Norderstedt | Der in der norddeutschen Neonazi-Szene seit Monaten beworbene "Tag der deutschen Zukunft", ein rassistisch motivierter Provokationsmarsch durch Hamburg, ist für die Rechtsradikalen zum Fiasko geworden: Den statt anvisierten tausend- nur rund 600 Teilnehmern stellten sich am Samstag mehr als 15.000 Menschen entgegen.

Christian Worch und Thomas Wulff in ihrem Mobilisierungsvideo

Christian Worch (li.) und Thomas Wulff vor Hamburgs Nazi-Denkmal (abfotografierte Video-Sequenz)

Noch am Donnerstag hatten die Hamburger Nazi-Kader Thomas Wulff und Christian Worch ein neues Mobilisierungsvideo ins Internet gestellt, in dem die beiden selbstbewusst auf einem Tandem durch die Innenstadt radeln ... und die Täter des Nationalsozialismus hochleben lassen. Doch jetzt, wenige Stunden nach dem "Tag der deutschen Zukunft" oder wohl eher: -der deutschen Vergangenheit, dürfte die Stimmung in der Szene arg getrübt sein. Aus einem martialischen Provokationsmarsch ist am Ende ein wenige Hundert Meter langer Spaziergang im vielfachen Polizeispalier geworden - bedrängt, beschimpft und beworfen von mehreren Tausend AntifaschistInnen.

Blockade an der Ecke Blumenau/Wagnerstraße

Blockade an der Ecke Blumenau/Maxstraße (Foto: Infoarchiv)

Schon am frühen Morgen hatte sich diese Situation angekündigt: Während sich in der Hamburger Innenstadt mehrere Tausend Menschen zu einer Bündnisdemonstration gegen den Aufmarsch formierten, versammelten sich direkt auf der geplanten Nazi-Route im Stadtteil Wandsbek bereits mehrere Hundert AntifaschistInnen. Bis etwa eine Stunde vor dem eigentlichen Start des rechten Aufmarsches war die Zahl der Blockierer schließlich auf bis zu 6.000 angewachsen und es wurden noch immer mehr. Schon zu diesem Zeitpunkt musste der Polizeiführung klar gewesen sein, dass die den Nazis genehmigte Route nicht mehr durchsetzbar war. Verwunderlich, dass sie sich anfangs dennoch zur teils recht "robusten" Räumung einzelner Kreuzungen entschloss.

Doch trotz dieser Vorstöße und der spürbar angespannten Atmosphäre im Stadtteil blieben die Proteste überwiegend entspannt: Brennende Mülltonnen, ein paar kleine Barrikaden und ein halbes Dutzend Schlagstock- und Pfeffersprayeinsätze übereifriger Polizeikräfte - ansonsten entwickelte sich ein zeitweise fast groteskes Nebeneinander von Einsatzkräften und DemonstrantInnen. Am Ende wurden die rund 600 Neonazis einige Hundert Meter in die entgegengesetzte Richtung geleitet, dort aber nach kurzer Zeit ebenfalls von Antifas eingekesselt, blockiert und am Ende sogar noch auf ihrer Abreise in Auseinandersetzungen verwickelt - ein Desaster für die rechte Szene, die Hamburg immer mal wieder zur "Frontstadt" erklärt, die es zu erobern gelte.

Brennende Barrikade im Eilbeker Weg

Brennende Barrikade im Eilbeker Weg (Foto: Infoarchiv)

Auf der anderen Seite standen neben den sechs, vielleicht sogar siebentausend BlockiererInnen auch gut 10.000 Menschen, die auf dem Rathausmarkt unter dem Motto "bunt statt braun" ein interkulturelles Fest feierten. Der Ort weitab des Aufmarsches erstaunt ein wenig, geht aber auf das ursprüngliche Ziel der Neonazis zurück, nicht in Wandsbek, sondern durch die gesamte Innenstadt zu marschieren. Mehr als 200 Gruppen hatten in der Folge zu antifaschistischen Protesten aufgerufen, darunter Parteien und Gewerkschaften ebenso wie linke Gruppen und Vereine. Auch aus Norderstedt und Umgebung machten sich am Samstagmorgen zahlreiche Menschen auf den Weg zum Rathausmarkt und zu den Blockaden, aufgerufen hatte hier neben dem Infoarchiv auch ver.di Südholstein und das Soziale Zentrum. 

Bleibt abzuwarten, wie sich das Fiasko auf die künftige Strategie der Nazis auswirkt. Aufgeben wollen siejedenfalls nicht: Für den 1. Juni 2013 haben haben die bekennenden Nationalsozialisten schon jetzt den fünften "Tag der deutschen Zukunft" ausgerufen, diesmal in Wolfsburg.

Hier weitere Eindrücke von den Protesten am 2. Juni: