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Donnerstag, 3. Februar 2005, 1:00 Uhr

Von Schutzmännern und SchulschwänzerInnen

Norderstedts Polizei tut was für die Bildung der Untertanen

der nestscheißer | Verstärkt will die Polizei sich nun dort herumzutreiben, wo SchulschwänzerInnenn ihren Tag so verbringen – so am Bahnhof Norderstedt-Mitte oder im Heroldcenter. Es ist geplant, so die Norderstedter Zeitung vom 02.02. 2005 ein " … ein dichtes Netz gegen das Fehlen spinnen sic! und die Zusammenarbeit zwischen Polizei, Jugendamt, Schulamt, Ordnungsamt und den Schulen verbessern …" – vielleicht ein guter Grund, sich einen anderen Hangout zu suchen, wo mensch unbelästigt von netten PolizistInnen oder einem beherzt durchgreifenden Schulleiter Krause den Tag verbringen kann. Wie zu Kaisers Zeiten werden Schutzleute auf Streife geschickt, um den einen oder anderen Tunichtgut davor zu bewahren, auf die schiefe Bahn zu geraten.
Es gibt viele Gründe der Schule fernzubleiben, manche liegen in der Schule selbst, manche im Elternhaus, jedeR hat wohl durchaus gelegentlich die diversen Möglichkeiten genutzt, einem zuweilen nervtötenden, wenig Erquickliches vermittelnden, teilweise pure Zeitverschwendung darstellenden Unterricht fernzubleiben. Mit dem Erreichen der Volljährigkeit wurde dies einfacher, da mensch die eigene Entschuldigung (Begründung: "Übelkeit und Kopfschmerzen" etc. … selber unterschreiben konnte). Denn schließlich stellt Schule eine Institution dar, in welcher mensch – trotz des Wunsches, etwas Sinnvolles zu lernen oder sich mit FreundInnen zu treffen – unter Beschneidung der eigenen Selbstbestimmungsmöglichkeiten untergebracht ist (Projekte wie die "verlässliche Halbtagsschule" oder die von Bundesministerin Buhlmahn angedrohten Ganztagesschulen (bei sinkenden LehrerInnenzahlen) drohen den Einschluss noch zu verlängern). Schule stellt immer (u.a. neben Familie, bürgerlichem Verein, Betrieb, etc.) eine Instanz der Konditionierung dar, wo mensch auch zu einem für die (kapitalistische) Gesellschaft nützlichen Glied geformt wird, wo mensch mit 10-12 Jahren seinem späteren Verwendungszweck entsprechend (aus-)sortiert wird.
So fragt sich Schulleiter Krause auch nicht, woher die Schulunlust oder der Drogenkonsum seiner SchülerInnen herkommt – die Ursachen werden weitgehend ausgeblendet, die Symptome mit Repression behandelt. Zwar wird im artikel der Norderstedter Zeitung auch angemerkt, dass es unter SchülerInnen auf die Motivation drückende Zukunftsaussichten gäbe, hier anzusetzen wäre aber aus herrschender Sicht zu gefährlich, da dies schnell zu einer Infragestellung des Gesellschaftssystems führen kann. Allein aus diesen Gründen stellt "Schule schwänzen" ein gegenüber Staat, LehrerInnen, Polizei und Dorfjournaille verteidigenswertes Recht dar, was allerdings nicht bedeutet, dass mensch zu dergleichem nun unbedingt aufruft oder diesem den Glorienschein der Rebellion anhängt. Entschieden zurückgewiesen müssen auch Tendenzen, wie das vom Berliner Bildungssenator Klaus Böger (SPD) artikulierte Bestreben, den Eltern von schwänzenden SchülerInnen die Sozialhilfe zu kürzen. Jegliche Repression gegen SchulschwänzerInnen und ihre Eltern muss bekämpft werden.
Unsere Aufgabe muss daher vor allem darin liegen, für Bildungseinrichtungen zu kämpfen, wo SchülerInnen selbst (gemeinsam mit dem Lehrkörper) darüber bestimmen, was und wie gelernt wird. Eine derartige Schule wird zwar im kapitalistischen Sinne nicht funktional sein, dafür aber auch viele (nicht alle) Grunde, die Schule zu schwänzen, aufheben.

Veröffentlicht in Repression/Antirepression mit den Schlagworten Norderstedt, Polizei, Schule, SPD