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Samstag, 30. Oktober 2004, 2:00 Uhr

Stollwerck spielt mit Arbeitsplätz(chen)

160 Entlassungen in Köln, 80 neue Jobs in Norderstedt

Von Olaf Harning | Dabei hatte der Konzern erst 1996 die "modernste, computergesteuerte, vollautomatische Roboter-Pralinenstraße der Welt (...) im Kölner Stammwerk in Betrieb genommen" (Zitat Stollwerck-Homepage). Nur zwei Jahre nach der Übernahme durch den weltgrößten Kakao- und Schokoladenhersteller Barry Callebaut kommt nun jedoch das bittere Ende für die süße Produktion ebendort: Sie wird bis März 2005 eingestellt.
Stollwerck - unter anderem Hersteller der Marken Sprengel, Alpia, Sarotti und Gubor - will mit diesem Schritt die Produktion von Pralinen und feiner Schokolade in Norderstedt konzentrieren. Schon bislang 420 MitarbeiterInnen im Werk "Am Stammgleis" produzieren jährlich 30.000 Tonnen Süßes und sorgen damit für die vierfache Kapazität ihrer Kölner KollegInnen. Genau denen, oder zumindest einigen von ihnen, sollen nun zunächst die 80 neuen Jobs in Norderstedt angeboten werden. Für die übrigen soll mit dem Betriebsrat ein Interessenausgleich und Sozialplan verhandelt werden.
Hamburg und sein Umland verwandelt sich damit wohl endgültig zur Schokoladen-Hochburg: Nachdem sich der Schweizer Konzern Nestlé bereits 2003 dafür ausgesprochen hatte, seine gesamte Produktion nach Hamburg-Wandsbek zu verlagern, folgt nun Stollwerck mit der deutlichen Stärkung des Standortes Norderstedt. Hintergrund dafür ist unter anderem der Hamburger Hafen, wo bundesweit der meiste Kakao angelandet wird. Speziell für Norderstedt spreche, dass die Kapazitäten dort bei Bedarf mühelos weiter ausgebaut werden können. Neben Stollwerck/Van Houten produziert u.a. auch der zum Nahrungsmittelkonzern Sternwywiol gehörende Betrieb HERZA-Schokolade seit Jahrzehnten in der Stadt.
Was in Norderstedt für verhaltene Freude über neue Arbeitsplätze sorgt, löst in Köln Verbitterung aus. Nach Bekanntwerden der Schließungsabsichten trafen sich die Stollwerck-Beschäftigten zu einer Betriebsversammlung, die vom https://www.express.de/servlet/Satellite?pagename=XP/index&pageid=1004370...
" target="_blank">Kölner Express angemessen dramatisch widergegeben wird: "Eine gespenstische Szene: Kollegen tragen einen Sarg in die Mitarbeiter-Versammlung. Symbol für das Aus der Schokoladenfabrik Stollwerck. Auch für Oberbürgermeister Fritz Schramma ist es ein schwerer Gang zu den 160 Mitarbeitern. "Ich bin genauso geschockt und traurig wie sie", sagte Schramma bei der Mitarbeiterversammlung. "Köln verliert ein Stück Industriegeschichte.""
Betriebsrat Johann Faßbender (50) musste seine Rede mehrmals unterbrechen - Tränen rannen ihm über das Gesicht. "Hier will man uns nicht die Butter vom Brot, sondern gleich das ganze Brot wegnehmen". Die Butter hatte Barry Callebaut freilich schon im vergangenen Jahr genommen: Zum September 2003 schloss der Konzern seine badischen Produktions- und Verwaltungsstandorte Müllheim und Münsterland zugunsten des Norderstedter Werkes, 270 Arbeitslose Badenser waren die Folge.
Während die betroffenen Belegschaften damals sehr spät aufwachten und erst weit nach dem Beschluss der Stillegung auf die Straße gingen, will man in Köln nicht so lange warten. Beatrix Fries, Sekretärin der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) ist zuversichtlich, dass "Betriebsrat und Belegschaft in Köln die Unternehmensentscheidung nicht kampflos hinnehmen werden". Es könne schließlich nicht sein, dass künftig der einzige Ort, an dem in Köln Schokolade hergestellt wird, das Schkoladenmuseum sei. Auch die "Durchhalteprämie" (15%) von Stollwerck lehnt Fries ab: "Die kommt ja wohl eher einer Sterbehilfe gleich" reagiert die Gewerkschafterin empört auf das Befriedungsangebot des Konzerns.

Smells like Arbeitsplatzvernichtung: Stollwerck-Schokolade

Veröffentlicht in Arbeit & Kapital mit den Schlagworten Norderstedt