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Donnerstag, 17. April 2014, 15:00 Uhr

Stadtwerke: Weiteres Rechenzentrum geplant

Gründung einer GmbH & Co.KG stieß auf Widerstand

Stadtwerke Norderstedt, Foto: Infoarchiv

Hans-Georg (Felix) Becker | Die Stadtwerke planen den Bau eines weiteren – und damit dritten – Rechenzentrums in Norderstedt. Der Stadtwerkeausschuss beschloss am 9. April 2014 einstimmig, den Oberbürgermeister und die Werkleitung zu beauftragen, Vorschläge zur Umsetzung für die Erweiterung der bereits vorhandenen Rechenzentrumskapazität im Rahmen des bestehenden Eigenbetriebs zu unterbreiten.

Vorausgegangen waren Diskussionen über die Gesellschaftsform für den Betrieb des neuen Rechenzentrums.

Geplant war die Gründung einer Stadt Norderstedt Infrastruktur- und Beteiligungs- GmbH & Co. KG

Die Werkleitung hatte ursprünglich die Gründung einer „Stadt Norderstedt Infrastruktur- und Beteiligungs- GmbH & Co. KG“ zur Abstimmung stellen wollen. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die Idee dazu vom Steuerberater der Stadtwerke gekommen sein soll und somit vielleicht nicht ganz uneigennützig war, hätten sich daraus doch Folgeaufträge ableiten lassen. Neben den Grundsätzlichen Erwägungen für den Bau eines weiteren Rechenzentrums (zu denen wir noch kommen) führte die Werkleitung in einem Abwägungsbericht aus, warum sie die Gründung einer privatrechtlichen Gesellschaft für sinnvoll erachtete.

Demnach sollten die Bereiche Infrastruktur und Beteiligung auf neue Gesellschaften ausgegliedert werden, um die strategische Steuerung der Stadt zu optimieren. Desweiteren versprach sich die Werkleitung von der angedachten Gesellschaftsform eine für den städtische Haushalt günstige steuerliche Behandlung. Man ging davon aus, dass die Einnahmen der GmbH & Co. KG durch die Verpachtung von Rechenzentrumsfläche an die Stadtwerke nicht gewerbesteuerpflichtig wären. Zudem sei die Stadt nur für Einkünfte aus Betrieben gewerblicher Art körperschaftssteuerpflichtig, zu denen nach Auffassung der Werkleitung eine rein vermögensverwaltende Gesellschaftsbeteiligung nicht gehört. Unterm Strich sollten sich dadurch die Steuerbelastungen vermindern. Zum Zeitpunkt der Diskussion über das Projekt lag allerdings noch keine Einschätzung der Steuerbehörde dazu vor. Die Wahrung der Interessen der Stadt sah die Werkleitung in den Organen der geplanten Gesellschaft – der Gesellschafterversammlung, dem Aufsichtsrat und der Geschäftsführung – ausreichend gesichert. Der Aufsichtsrat sollte sich aus den jeweiligen Mitgliedern des Hauptausschusses sowie dem Oberbürgermeister der Stadt zusammensetzen.

Pläne stießen auf Widerstand

Der Werkleitung war offenbar klar, dass die Gesamtthematik einigen Sprengstoff in sich barg und konsultierte nach der 1. Lesung der Beschlussvorlage alle Fraktionen. BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN hatten sich bereits frühzeitig gegen das geplante Modell ausgesprochen. Ungeachtet der Tatsache, dass die von der Werkleitung angedachte steuerliche Behandlung der Einnahmen vom Finanzamt noch nicht bestätigt wurde, hielten die GRÜNEN es grundsätzlich für fragwürdig, den einen öffentlichen Haushalt zulasten des anderen öffentlichen Haushaltes zu begünstigen. Zudem sei die öffentliche Transparenz eines Aufsichtsrates nicht mit der des Stadtwerkeausschusses zu vergleichen. Die CDU mochte dem Vorschlag der Gründung einer GmbH & CO. KG offenbar ebenfalls nicht folgen.

Beschluss zur Eingliederung in den Eigenbetrieb

Und so wurde die Beschlussvorlage verwaltungsseitig für die 2. Lesung am 9. April 2014 bereits geändert. Darin sollten ein „Vorschlag zur Umsetzung innerhalb des Eigenbetriebs oder einer gesonderten Rechtsform…“ zur Abstimmung gestellt werden. Dies ging allerdings den Fraktionen von BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN und der CDU nicht weit genug. Beide Fraktionen stellten Änderungsanträge, die sich inhaltlich ähnlich waren. Kernpunkt war dabei die Forderung, die Erweiterung der Rechenzentrumskapazität innerhalb des Eigenbetriebes der Stadtwerke zu realisieren. Nach einer Sitzungsunterbrechung stellten die Fraktionen von SPD, CDU, FDP, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN und WIN einen gemeinsamen Änderungsantrag, der so einstimmig beschlossen wurde. Darin wurde der Oberbürgermeister / Die Werkleitung gebeten, auf der Grundlage des vorgestellten Konzepts zur Erweiterung der Rechenzentrumskapazitäten einen Vorschlag zur Umsetzung innerhalb des Eigenbetriebs vorzulegen.

Wirtschaftliche Tragfähigkeit vom Ausschuss bejaht

Die Kritik der Fraktionen bezog sich demnach nur auf die geplante Gesellschaftsform, nicht aber auf die grundsätzliche Frage der Notwendigkeit eines weiteren Rechenzentrums und die wirtschaftliche Tragfähigkeit des Konzeptes. Offenbar konnte die Werkleitung in dieser Hinsicht überzeugen. Die Notwendigkeit für den Bau eines weiteren Rechenzentrums ergibt sich aus Sicht der Stadtwerke dabei aus einem „gestiegenen Bedürfnis an Datenspeicherplatz, welches in engem Zusammenhang mit dem Versorgungsauftrag der Stadt Norderstedt steht.“ Dabei geht es in erster Linie wohl um die Zurverfügungstellung von Elektrizität, Telekommunikation, Gas, Fernwärme und Wasser. Damit gehören die Stadtwerke Norderstedt und die wilhelm.tel GmbH nach den Kriterien des Bundesministeriums des Inneren zu den Betreibern sogenannter „kritischer Infrastrukturen.“

In dem Bericht der Werkleitung heiße es dazu: „Kritische Infrastrukturen sind Organisationen und Einrichtungen mit wichtiger Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen…“ Das Datenschutzgesetz zwingt Unternehmen sehr detailliert zur Sicherung von IT-Infrastrukturen, in denen personenbezogene Daten verarbeitet werden. Zudem sollen Betreiber von kritischen Infrastrukturen gesetzlich verpflichtet werden organisatorische und technische Vorkehrungen zum Schutz der informationstechnischen Systeme sowie deren Funktionsfähigkeit zu treffen. Bei der Umsetzung dieser Forderungen können die Stadtwerke auf die Erfahrungen beim Betrieb der beiden bisherigen Rechenzentren zurückgreifen.

Erweiterter Bedarf durch Energiewende

Außerdem entsteht ein erweiterter Bedarf an Rechenzentrumskapazität durch die Energiewende. Dadurch soll die Entwicklung und der Betrieb von „intelligenten Netzen“ ermöglicht und sichergestellt werden. Zu einem gewissen Teil – realistisch sind wahrscheinlich um die 15 Prozent – soll die Rechenzentrumskapazität also von den Stadtwerken zur Energiewende selber genutzt werden. Der weitaus größere Teil soll am Markt angeboten werden. Viele Unternehmen können den Betrieb von eigenen Rechenzentren mit hoher Energie-Effizienz, einer unterbrechnungsfreien Stromversorgung und einer hohen Datensicherheit nicht sicherstellen. Insofern scheint ein großer Bedarf an Rechenzentrumskapazitäten auf dem Markt vorhanden zu sein. Die Vermarktung der entsprechenden Flächen würde der Sparte Gebäudemanagement zugerechnet werden. Nach Aussage der Werkleitung soll der Geschäftsbereich „Rechenzentrums- und Gebäudemanagement“ in Verbindung mit den Ergebnissen des neuen Rechenzentrums ab 2018 zusätzliche jährliche Netto-Erträge für den städtischen Erfolgshaushalt von rund 200.000 Euro erwirtschaften. Die Wirtschaftlichkeitsberechnungen wurden in nicht öffentlicher Sitzung dargestellt, entziehen sich somit einer detaillierten Prüfung durch interessierte EinwohnerInnen. Ach ja: die Investitionen für das neue Rechenzentrum sollen rund 20 Millionen Euro betragen und dem gefassten Beschluss zufolge zu 100 Prozent fremdfinanziert werden.

2 Kommentare zu diesem Artikel

09.05.2014, 20:17 Uhr AnonymousWir machen uns die Welt, wie sie uns gefällt ...

Es bleibt die Frage unbeantwortet, ob die Stadtwerke noch im Rahmen der Daseins-Vorsorge agieren oder sich als reiner Wirtschaftsbetrieb aufstellen und in Konkurrenz zu potentiellen Ansiedlern und bestehenden Gewerbebetriebe handeln?

Warum sollten sich potentielle Gewerbesteuerzahler in Norderstedt ansiedeln, wenn sie in Konkurrenz zu dem Wirtschaftsbetrieb "Stadtwerke" treten müssen, ohne aber deren "Steuerschlupflöcher" für sich in Anspruch nehmen zu können?

Es bleibt zu befürchten, dass die Stadtwerke auf Kosten der Bürger langfristig ein Wirtschaftsimperium schaffen wollen, damit einige Werkleiter und Unterstützer sich ihr Ego befriedigen können.

Die Werke müssen besser kontrolliert und an ihren eigentlichen Auftrag erinnert werden. Nur dazu fehlt unseren Stadtvertretern und dem Bürgermeister schlichtweg der Mut. Wahrscheinlich, weil sie selbst Vorteile in Form von Spenden und Sachzuwendungen haben.

Und Weirich, Seedorf und Co lachen sich ins Fäustchen und machen sich die Welt, wie sie Ihnen gefällt ...

17.04.2014, 17:22 Uhr AnonymousKeine Privatisierung durch die Hintertür!

Wie gut, dass im Stadtwerke-Ausschuss immer noch einige Mitglieder sitzen, die den Braten frühzeitig riechen! Ob sich das wirtschaftlich wirklich positiv darstellen lässt, sollte auch fachkundig geprüft werden können. Zumindest wurde den heimlichen Privatisierungsbestrebungen zunächst einmal ein Riegel vorgeschoben. Prima!