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Sonntag, 8. November 2015, 11:05 Uhr

Rechtspopulisten im "Alten Reporter"

GegendemonstrantInnen: "Norderstedt ist weltoffen!"

Eine Gruppe Gegendemonstranten mit Transparent im Dunkeln vor einer Gaststätte

Auflauf vor dem "Alten Reporter" - zunächst ein Dutzend, später gut 30 Demonstranten protestierten gegen eine Veranstaltung der AFD-Abspaltung "ALFA" (Foto: Infoarchiv).

Infoarchiv Norderstedt | Begleitet von Protesten hat die rechtspopulistische "Allianz für Fortschritt und Aufbruch" (ALFA) am Freitag eine Veranstaltung im Norderstedter Lokal "Alter Reporter" abgehalten. Thema war die angeblich zu hohe Zahl von Flüchtlingen in Deutschland.

ALFA-Werbung - Bernd Lucke macht sich über eine Merkel-Stelltafel lustig.

So warb die "ALFA" für ihre Veranstaltung in Norderstedt. Der Wirt des "Alten Reporter" erfuhr erst spät vom Inhalt der Veranstaltung und war "not amused" (Grafik: ALFA).

So etwas hat der Jägerlauf, eine kleine Seitenstraße im Stadtteil Glashütte, noch nicht erlebt: Weil sich im "Alten Reporter" Rechtspopulisten der Bernd-Lucke-Neugründung "ALFA" trafen, versammelten sich vor der Gaststätte Gegendemonstranten des Bündnisses "Norderstedt ist weltoffen". Beide Veranstaltungen verliefen ohne Zwischenfälle.

Vor knapp 50 Besuchern, unter ihnen viele Mitglieder und Funktionsträger der Partei aus anderen Landesteilen, sprachen Christoph Hähne (ALFA-Generalsekretär Schleswig-Holstein) und die Europaabgeordnete Ulrike Trebesius über ein angeblich drohendes "Chaos" bei der Aufnahme von Flüchtlingen, über schwindende "Identität", Anstand und Vertrauen. Dabei waren die Redner allerdings bemüht, radikale Positionen zu vermeiden und die Flüchtlingskrise in andere Positionen einzubetten.

Auch in Diskussionen mit GegendemonstrantInnen hatte Hähne zuvor zwar von "Chaos" und Überforderung bei der Flüchtlingsaufnahme gesprochen, die übrigen Forderungen von ALFA aber relativiert. Die Partei fordert unter anderem, Flüchtlingsschiffe auf See zurückzuweisen, die Zahl der Asylbewerber unabhängig von ihren Fluchtgründen radikal zu begrenzen und hier aufgenommene Menschen nur noch mit Naturalien zu versorgen, statt mit Geld.

Vor allem diese Positionen riefen am Freitag die GegendemonstrantInnen auf den Plan: Anfangs nur ein Häuflein, wuchs ihre Zahl im Verlauf des Abends auf gut 30 an, unter ihnen AktivistInnen des Sozialen Zentrums, des Bündnisses "Norderstedt ist weltoffen", sowie Mitglieder von LINKEN, SPD und GRÜNEN. Schon in der Nacht hatten Unbekannte den Schriftzug "no nazis" an die Fassade des Lokals gesprüht.

Der Wirt des "Alten Reporters", Thomas Nordmeier, distanzierte sich von der Veranstaltung in seinen Räumen: Erst Freitagmittag sei er von seinen Beschäftigten auf den politischen Charakter der Versammlung hingewiesen worden, auch die Polizei habe sich erst spät bei ihm gemeldet. "Wir haben in unserem Unternehmen viele Mitarbeiter aus dem Ausland oder mit ausländischen Wurzeln, die wir sehr schätzen und wir wollen hier klarstellen, dass wir uns von der Meinung im vollen Umfang distanzieren möchten!!!", ließ Nordmeier auf der Facebook-Seite des Alten Reporter wissen. Vor Ort gab er den Protestierenden später eine Runde Bier aus.

Die Veranstaltung in Norderstedt war der schleswig-holsteinische Auftakt der ALFA-Kampagne "Merkel stoppen", für die nach Parteiangaben landesweit auf 200.000 Flyern und 700 Plakaten geworben werden soll. In einer "Generalabrechnung" mit der Kanzlerin geht es dabei neben dem angeblich zu toleranten Umgang mit Flüchtlingen auch um Euro-Krise und Energiewende. ALFA war im Juli diesen Jahres von Mitgliedern der ebenfalls rechtspopulistischen AFD gegründet worden, denen der völkisch-nationalistische Kurs der neuen Parteichefin Frauke Petry zu radikal war. Seitdem buhlen beide Parteien um Stimmen rund um, bzw. rechts von der CDU/CSU - vor allem mit fremden- und europafeindlichen Themen. 

Der Landesverband der "Allianz" hatte sich erst am 25. Oktober gegründet. Die Veranstaltung Norderstedt war das erste Lebenszeichen der Partei in Schleswig-Holstein.