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Montag, 29. Oktober 2012, 11:15 Uhr

"Sie haben dann auch die Möglichkeit, zu schießen"

Internationale Militärs zu Gast in Henstedt-Ulzburg

Gruppenbild: Internationale Militärs vor dem Eingang des Ulzburger Rathauses

Gruppenbild vor dem Henstedt-Ulzburger Rathaus - Offiziere des LGAI (Foto: Infoarchiv)

Olaf Harning | Bereits zum 35. Mal besuchte am Dienstag eine Delegation des Lehrgangs Generalstabs-/Admiralstabsdienst International (LGAI) die Partnergemeinde Henstedt-Ulzburg. 27 Militärs aus Nicht-NATO-Staaten und 13 Angehörige der Bundeswehr erhielten Einblicke in Gemeindeverwaltung, ortsansässige Betriebe und Feuerwehr, bevor sie sich zu einem Preisschießen auf dem Schießstand der Schützengilde Beckersberg einfanden.

Elisabeth von Bressensdorf und Oberst Andreas Stoebe

Bürgermeisterin Elisabeth v. Bressensdorf mit Oberst Andreas Stoebe (Foto: Infoarchiv)

Im Ratssaal des Henstedt-Ulzburger Rathauses wurden die Militärs zunächst von Bürgervorsteher Carsten Schäfer (BfB) und der amtierenden Bürgermeisterin Elisabeth von Bressensdorf (CDU) empfangen, aus Reihen der Kommunalpolitik begrüßten auch Karin Honerlah (WHU), Siegfried Ramcke (SPD) und Heinz-Georg Gülck (CDU) die illustre Gästeschar. In gewohnt herzlicher Atmosphäre stellte Schäfer anschließend die Gemeindestrukturen vor und spielte dabei auf amüsante Weise auf die Herkunft der Militärs an: "17 Chinesen", stellte der Bürgervorsteher mit Blick auf den anwesenden Major aus China fest, "leben zur Zeit in Henstedt-Ulzburg", ein Bewohner habe einen brasilianischen Pass - Schmunzeln bei Major Kurt Werberich, der vom brasilianischen Heer entsandt wurde und die Zahl seiner Landsleute in Henstedt-Ulzburg für einige Stunden verdoppelte.

Die Militärische Ausbildungshilfe (MAH) "unterstützt die Entwicklung demokratisch orientierter Streitkräfte in Staaten und Regionen, deren Stabilität in deutschem Interesse liegt. Durch MAH können mittel- bis langfristig positive Multiplikatoren gewonnen werden, über die demokratische Wertvorstellungen Eingang in die Kultur der jeweiligen Streitkräfte finden können."


Aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen im November 2011.

Der Besuch des LGAI geht auf eine Initiative von Alt-Bürgermeister Heinz Glück zurück, der die Partnerschaft zwischen Gemeinde und Bundeswehrführungsakademie 1977/78 einleitete und damit in der Zeit der von zahlreichen westlichen Staaten unterstützten Militärdiktaturen Lateinamerikas. Nicht nur weil die ihre Militärs fleißig durch den Lehrgang schickten, mussten sich der LGAI und seine Gastgeber von Beginn an auch Kritik gefallen lassen. Denn tatsächlich ist es durchaus fraglich, ob sich die offiziellen Ziele der militärischen Ausbildungshilfe der Bundesrepublik (siehe Kasten) auch nur ansatzweise erreichen lassen, wenn man an die Lehrgangsteilnehmer keinerlei- oder zumindest kaum wahrnehmbare Anforderungen stellt. So arbeitete der Journalist Markus Frenzel 2011 in seinem Buch "Leichen im Keller - Wie Deutschland internationale Kriegsverbrecher unterstützt" unter anderem heraus, dass die Bundeswehrführungsakademie teils über Jahre ranghohe Militärs diktatorischer Regime ausbildete, ja dass der ehemalige Präsident des Freundeskreises Ausländischer Offiziere der Militärdiktatur Guineas sogar als Honorarkonsul zu Diensten war. Auch weil sich einige der "belasteten" Militärs in der Vergangenheit am alljährlichen Preisschießen des LGAI am Beckersberg beteiligt haben dürften, geriet ein eigentlich nur protokollarisch gemeinter Hinweis Carsten Schäfers deshalb unfreiwillig vieldeutig, als er den Lehrgangsteilnehmern in seiner Begrüßung ankündigte: "Sie haben dann auch die Möglichkeit zu schießen."

Mehr als 2.000 Offiziere aus 116 Nationen haben den LGAI seit 1962 durchlaufen. Nach einer mehrmonatigen Sprachausbildung werden die Militärs auf ihre spätere Verwendung in Generalstäben vorbereitet und durch eine ganze Reihe von Veranstaltungen mit Partnern des Lehrgangs geschleust. Das können Gemeinden wie Henstedt-Ulzburg oder Fußballvereine sein, aber eben auch führende deutsche Waffenschmieden wie etwa Heckler & Koch, die nach Informationen des Infoarchivs ebenfalls auf dem Besuchsprogramm des LGAI stehen. Was insbesondere Letzteres mit der Verbreitung demokratischer Kultur zu tun haben könnte, ist allerdings schwer zu ergründen.